Statement der BI Haßleben zum Urteil vom 16. Oktober 2017

Das Verwaltungsgericht Potsdam hat die Genehmigung für die Schweinemastanlage Haßleben mit 37.000 Tierplätzen in der Uckermark am Montag, den 16. Oktober 2017 in mündlicher Verhandlung mit Urteil aufgehoben. Die Berufung wurde nicht zugelassen. Das Verwaltungsgericht verhandelte über die Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheids des Landesamtes für Umwelt Brandenburg (früher LUGV) vom 20.6.2013. Die Bürgerinitiative kontra Industrieschwein, Umwelt- und Tierschutzverbände informierten am Dienstag in einer Pressekonferenz über die Hintergründe und weiteren Perspektiven des Verfahrens.

Zusammen mit der Bürgerinitiative kontra Industrieschwein Haßleben hatte ein enges Netzwerk an Umweltverbänden, Tierschutzorganisationen und Einzelpersonen seit gut 14 Jahren gegen den Bau der Schweinemastanlage gewehrt. Dem Gericht reichte nach vielstündiger mündlicher Verhandlung am Ende ein Argument aus, um die Genehmigung aufzuheben. Die klageführenden Verbände (NABU und BUND Brandenburg und Deutscher Tierschutzbund) hatten viele weitere gewichtige Argumente des Natur-, Tier- und Umweltschutzes vorgetragen. Die Kläger werden u.a. unterstützt von der Bürgerinitiative „Kontra Industrieschwein“, der Albert-Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt und dem Landestierschutzverband Brandenburg.


An dieser Stelle veröffentlichen wir das Statement der Bürgerinitiative kontra Industrieschwein Haßleben

Statement der BI Haßleben zum Urteil vom 16. Oktober 2017

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor:

Die Uckermark – eine agrarindustrielle Begüllungslandschaft, in der die Exkremente von 36 000 Schweinen entsorgt werden. Die Gülle angereichert mit Hormonen und Antibiotika. Die landestypischen Magerböden mit ihrer spezifischen Flora und Fauna: ersoffen in Stickstoff, raufgepackt auf die immensen Altlasten aus DDR-Zeiten. Das Wasser nitratverseucht. Die Luft kontaminiert mit Keimen und Ammoniak.

Eine riesige Schweinefabrik im kleinen Dörfchen Haßleben.

Das angrenzende Moor geht ein, der nahe See kippt um, die Fische sterben. Die Menschen erkranken, der Gestank ist unerträglich. Wenn sie es können, ziehen sie weg. Nur die Alten bleiben. Die Touristen bleiben aus: in einer agrarindustriell geprägten Region macht keiner Urlaub.

Was Ihnen als Horrorvision erscheinen mag, wäre längst Realität, wenn wir nicht seit 14 Jahren unermüdlich Widerstand geleistet hätten gegen das Landesumweltamt, welches die Schweinemastanlage von Anfang wollte und die Genehmigung letztendlich auch durchgedrückt hat. In diesen 14 Jahren haben wir immer wieder auf die ungeheuere Schädigung der Umwelt und die beabsichtigte Tierquälerei hingewiesen.

Die mühsam begründete Genehmigung von 2013 war voller unnötiger Ausnahmegenehmigungen und gespickt mit vielen äußerst fragwürdigen Rechtsauslegungen. Tierschutz, Umweltschutz, Brandschutz und Verfahrensvorschriften wurden mit Füßen getreten. Anstatt den Antrag abzulehnen, wurde dem holländischen Investor immer wieder Gelegenheit gegeben, seine schlampigen Antragsunterlagen nachzubessern oder zu verändern. Alles sollte irgendwie passend gemacht werden.

 

Irgendwas konnte hier nicht mit rechten Dingen zugehen. Daher waren wir oft fassungslos und bisweilen wurde unser Glaube an den Rechtsstaat erschüttert. Vierzehn Jahre Widerstand sind eine sehr lange Zeit: wir brauchten viel Kraft, Zeit, Geld und Nerven. Daher waren froh, dass die Sache nun endlich vor ein neutrales Gericht kam.

Das Urteil vom 16. Oktober empfinden wir als eine schallende Ohrfeige für das Landesumwelt und die dahinter stehende Landesregierung, denn all diese Unrichtigkeiten und Schlampigkeiten zugunsten des Investors wurden ihnen nun öffentlich nachgewiesen. Speziell Minister Vogelsänger, der sich selbst rühmt, das Volksbegehren gegen Massentierhaltung "erfolgreich abgewehrt" zu haben und sich immer wieder als Lobbyist der Agrarindustriellen hervortut, wurde mit diesem Urteil endlich in die Schranken verwiesen. Herr Vogelsänger scheint die ungeheuren Probleme der Industrialisierung von Landwirtschaft nicht begreifen zu wollen, weswegen er nach unserer Auffassung als Landwirtschaftminister eine Fehlbesetzung ist.

Das gestrige Urteil geht in seiner Bedeutung weit über Haßleben hinaus: bisher kamen die Investoren nach Brandenburg, weil sie auf eine willfährige Regierung hoffen konnten, bei der sie vorbei an Gesetzen ihre Anlagen genehmigt kriegten. Das dürfte nun vorbei sein: das Urteil zeigt, dass über Landwirtschaft und Tierhaltung auch in Brandenburg auf Grundlage der Gesetze entschieden werden muss.

Ohne die jahrelange Unterstützung der Verbände wären wir völlig chancenlos gewesen. Deswegen gilt unser großer Dank dem Deutschen Tierschutzbund, dem BUND, dem NABU und der Albert-Schweitzer-Stiftung, die engagiert mit uns gekämpft haben. Und wir sind sehr froh, dass wir mit Peter Kremer einen Anwalt gefunden haben, der gründlich, beharrlich, so freundlich wie gnadenlos die Gesetzesverstöße der Genehmigungsbehörde bloßgestellt hat.

Wir hoffen, dass das Urteil eine große Ermutigung ist für andere Bürgerinitiativen, sich nicht beirren zu lassen - im Vertrauen auf eine immer noch unabhängige Justiz in Brandenburg.


Sybilla Keitel & Gert Müller

Bürgerinitiative Kontra Industrieschwein Haßleben


Widerstand gegen Massentierhaltung kostet Geld. Die Durchsetzung von Tier- und Umweltschutz erfordert viel persönliches Engagement und verursacht einen erheblichen Aufwand für die Einwendungen, Widersprüche und Gerichtsverfahren. Für die professionelle Rechtsberatung und die Vertretung in den immissionschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren bittet der BUND Brandenburg um Spenden. Vielen herzlichen Dank!


Kommentar schreiben

Kommentare: 0